Themen: Bundesverwaltung, Öffentliche Beschaffung, Open Source, Vorstoss


Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne, ZH) hat den Bundesrat vergangene Woche gefragt, ob und wie Open Source Beschaffungen durch die internationalen TiSA-Verträge behindert würden:

15.5279 – Fragestunde. Frage
Verbot von staatlichen Open-Source-Aufträgen im Rahmen des geplanten Tisa-Abkommens

Die Bürgerrechtsorganisation EFF hat eine Vorabversion des Tisa-Vertragstextes analysiert und fand Klauseln, die unter bestimmten Umständen die Ausschreibung von Open-Source-Software in öffentlichen Aufträgen verbieten (http://bit.ly/eff-tisa).

– Teilt der Bundesrat die Meinung, dass ein solches Open-Source-Verbot falsch und schädlich ist und auch aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt werden muss?

– Welche Position vertritt er im Rahmen der Tisa-Verhandlungen bzw. eines Open-Source-Verbots?

Bundesrat Johann Schneider-Ammann wollte in der Fragestunde diese Woche keine inhaltliche Antwort liefern, versprach aber auf Glättlis Nachfrage eine Antwort auf dem Schriftweg, ob der Bundesrat ein Ausschreibungsverbot von Open Source  unterstützen würde (siehe auch Video):

Nationalrat – Sommersession 2015 – Sechste Sitzung – 08.06.15-14h30

Bundesrat Johann Schneider-Ammann: Die Tisa-Verhandlungen beinhalten diverse Vorschläge zu verschiedensten Themen, auch zum Themenkreis Informations- und Kommunikationstechnologien; der Bundesrat kommentiert von unbekannter Seite an die Öffentlichkeit gebrachte Texte und deren Authentizität grundsätzlich nicht. Unabhängig davon werden in öffentlichen Ausschreibungen des Bundes in der Regel die zu erbringenden Leistungen umschrieben. Vorschläge, welche dieses Grundprinzip des öffentlichen Beschaffungswesens beeinträchtigten, würden den internationalen Verpflichtungen zuwiderlaufen.
An den Tisa-Verhandlungen sind gegenwärtig 24 Staaten beteiligt, darunter auch die Schweiz. Die Schweiz beteiligt sich an den Tisa-Verhandlungen auf der Basis des Dienstleistungsteils des WTO-Doha-Mandates des Bundesrates. Dieses Mandat basiert auf der Konsultation der zuständigen Kommissionen der Räte und der Konferenz der Kantonsregierungen. Darauf gestützt, wird die Schweiz beim Service public keine Verpflichtungen eingehen. Die Anfangsofferte der Schweiz für die Tisa-Verhandlungen ist auf der Website des Seco öffentlich zugänglich.

Balthasar Glättli (G, ZH): Geschätzter Herr Bundesrat, danke für Ihre Antwort. Ich verstehe, dass Sie in diesem Sinne den Text der Verhandlungen nicht kommentieren können. Ich bitte Sie aber um die Beantwortung folgender Frage, unabhängig davon, ob jetzt ein solcher Antrag vorliegt oder nicht: Würde sich die Schweiz dagegen aussprechen, oder wäre es für sie akzeptabel, wenn ein solches Ausschreibungsverbot von Open-Source-Software durch öffentliche Stellen Teil eines Abkommens wäre?

Bundesrat Johann Schneider-Ammann: Herr Nationalrat Glättli, diese Frage kann ich Ihnen nicht sofort beantworten. Ich prüfe sie, und Sie kriegen im Nachgang auf dem Schriftweg eine entsprechende Stellungnahme.

 

 

Update 15.6.2015: Unterdessen ist die angekündigte Antwort auf dem Schriftweg eingetroffen. Bundesrat Schneider-Ammann schreibt in der Antwort:

Unabhängig vom Stand der TISA-Verhandlungen teile ich Ihnen mit, dass ein solches Verbot für die Schweiz nicht akzeptabel wäre. Bei Software-Ausschreibungen durch öffentliche Stellen wird eine Software mit bestimmten Leistungsmerkmalen ausgeschrieben, ohne bestimmte Produkte a priori aus zuschliessen.

Hier das Antwortschreiben als PDF zum Herunterladen und hier der Text des TiSA Entwurfs. Die Nachfrage war vermutlich zu wenig präzise gestellt. Denn der Bundesrat hat die eigentliche Kernfrage durch diese Antwort umgangen. Er hat sich klar dagegen ausgesprochen, ein Verbot für OpenSource-Software zu akzeptieren. Das ist erfreulich. Er hat sich aber nicht dazu geäussert, ob ein TiSA-Vertrag akzeptabel wäre, wenn darin staatliche Ausschreibungen verboten wären, welche zwingend vom Anbieter offenen Source Code einfordern. Eine solche Einschränkung dürfte laut Vertragsentwurf nur für Software für kritische Infrastruktur vorgenommen werden, nicht aber für breit verfügbare Software. Auch im Falle einer breit verfügbaren Software könnte aber die Bedingung von offenem Source Code sinnvoll sein. Ein Beispiel: Offener Source-Code wäre eine wichtige Bedingung, sollte der Bund einmal eine (Weiter-)Entwicklung von benutzerfreundlicherer Verschlüsselungssoftware ausschreiben – so wie dies Deutschland vor mehr als einem Jahrzehnt mit gpg4win machte. Balthasar Glättli wird aus diesem Grund eine präzise Nachfrage nachreichen.

 

 

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