01.12.2011 - 2011.SR.000319
Étape:Propositions communales
État du conseil:Traité par le Conseil National

Eingereichter Text:

Man stelle sich vor: Die Stadt Bern vergibt ihre Bauprojekte stets an die gleiche Bauunternehmung, ohne andere Offerten einzuholen. Man stelle sich weiter vor, sie begründe dieses Vorgehen damit, dass diese Bauunternehmung bereits frühere Projekte durchgeführt habe und so eine Art Baustandard in der Stadt Bern geschaffen habe. Zudem habe sich die städtische Verwaltung inzwischen daran gewöhnt, mit dieser Baufirma zusammen zu arbeiten. Ein Wechsel zu einer anderen Bauunternehmung lohne sich daher auch dann nicht, wenn diese kostengünstiger und effizienter arbeitet, da der Aufwand und die (kurzfristigen) Kosten für die
Umstellung zu hoch seien.

Eine absurde Vorstellung? Man ersetze nur „Bauprojekte“ durch „Software-Anschaffungen“ und „die gleiche Bauunternehmung“ durch „Microsoft“ (oder andere Anbieter von proprietärer Software wie z.B. SAP) und man schildert weitestgehend die Realität im IT-Bereich. Damit bei Neuanschaffungen oder Lizenzerneuerungen von Computer-Software das jeweils am besten auf die jeweiligen Bedürfnisse der Verwaltung zugeschnittene Produkt den Vorzug erhält, muss die Stadt Bern für Chancengleichheit in diesem Prozess sorgen. Dazu muss die Stadt Bern dafür sorgen, dass der Lock-In-Effekt im Bereich der ComputerSoftware abnimmt. Dies ist bei einem Grossteil der heute eingesetzten Software nicht der Fall.

Konkurrenzprodukten zur heute verwendeten Software insbesondere aus dem FOSS Bereich wird dadurch die Chance genommen, überhaupt an einem fairen und transparenten Wettbewer teilzunehmen.

Um dies zu ändern, muss die Verwaltung für offene Standards und Plattformunabhängigkeit im Software-Bereich sorgen (insbesondere auch bei den Dateiformaten).

Der Gemeinderat wird daher aufgefordert:

1. Offene Standards als Muss-Kriterium bei der Neuanschaffung bzw. Lizenzerneuerung von Software aufzunehmen.
2. Die Anforderungen an „offene Standards“ mittels einer eindeutigen Kriterienliste zu definieren. Diese muss zwingend folgende Punkte enthalten:
2.a) Der Standard wurde von einer Organisation ohne Gewinnorientierung definiert.
2.b) Der Standard ist öffentlich publiziert. Seine Spezifikation ist frei verfügbar und darf kopiert und weitergegeben werden.
2.c) Die Wiederverwendung des Standards unterliegt keinen Beschränkungen.
2.d) Es dürfen keine proprietären Softwareprodukte als Standards definiert werden.
3. Zu gewährleisten, dass bei Aufträgen über Neuanschaffungen bzw. Lizenzerneuerungen von Computer-Software die Vorgaben betreffend Ausschreibungen nach WTO-Richtlinien konsequent umgesetzt werden.

Soweit der Gegenstand der Motion im Bereich der gemeinderätlichen Zuständigkeit liegt, kommt der Motion der Charakter einer Richtlinie zu.

 

Bern, 02. Juli 2009

 

Interfraktionelle Motion GLP, SP/JUSO (Michael Köpfli, GLP/Giovanna Battagliero, SP): Claude Grosjean, Rithy Chheng, Ursula Marti, Guglielmo Grossi, Miriam Schwarz, Daniela Schä- fer, Thomas Göttin, Beat Zobrist, Annette Lehmann, Hasim Sönmez, Patrizia Mordini, Rolf Schuler, Nicola von Greyerz, Leyla Gül, Stefan Jordi, Beni Hirt, Corinne Mathieu, Jan Flückiger, Tanja Sollberger, Dannie Jost, Daniel Klauser, Daniela Lutz-Beck, Barbara Streit-Stettler, Martin Trachsel, Ueli Haudenschild, Luzius Theiler, Regula Fischer, Rolf Zbinden, Rahel Ruch, Lea Bill, Simon Glauser, Vania Kohli, Thomas Begert, Claudia Meier, Henri-Charles Beuchat

 

Antwort des Gemeinderats vom 16.12.2009:

Der Text der Motionärinnen und Motionäre zielt darauf ab, dass im Zuständigkeitsbereich der städtischen Informatikdienste bei Neubeschaffungen oder Lizenzerneuerungen ausschliesslich Software beschafft werden kann, welche die „offene Standards“ definierenden Kriterien kumulativ erfüllt. Ausnahmeregelungen sind keine vorzusehen. Eine derartig rigide Regelung ist nicht praxistauglich.

In der Motion wird eine hypothetische Situation beschrieben, in der die Stadt Bern Bauprojekte immer an die gleiche Bauunternehmung vergibt, ohne andere Offerten einzuholen. Diese Situation wird auf Beschaffungen für Informatiklösungen übertragen und als „weitestgehend der Realität entsprechend“ bezeichnet. Der Gemeinderat weist entschieden darauf hin, dass der mit dem hypothetischen Beispiel erhobene Vorwurf jeder Grundlage entbehrt. Auch bei der Vergabe von Informatiklösungen werden die Bestimmungen des Beschaffungsrechts vollumfänglich eingehalten. Die von den Motionärinnen und Motionären dargestellte Situation für die Erneuerung von Informatiklösungen entspricht nicht der Realität.

In der Stadt Bern ist zurzeit eine grosse Vielfalt von Fachanwendungen in Betrieb, welche bei unterschiedlichen Lieferantinnen und Lieferanten beschafft wurden. Musste im Rahmen der Lebenszyklusplanung eine Software für eine Fachanwendung ersetzt werden, erfolgte die Beschaffung mit einer offenen Ausschreibung. Die Geschäftsanwendung SAP ging in der Vergangenheit mehrmals in offenen Ausschreibungen der Stadt Bern als Siegerin hervor. Die Stadt Bern legt seit Jahren grossen Wert darauf, dass im Prozess für Beschaffungen, welche wegen ihres Umfangs den GATT/WTO Verfahren entsprechen müssen, Chancengleichheit herrscht. Für Konkurrenzprodukte der heute verwendeten Software, insbesondere aus dem Bereich der freien und offenen Software (FOSS), bestand in den Ausschreibungsverfahren jeweils eine faire Chance, die Eignung und die Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen zu können. Die gemachten Erfahrungen der Informatikdienste zeigen aber, dass bei der Beschaffung von Fachanwendungen für Behörden bisher noch nie FOSS-Produkte angeboten wurden. Im Projekt base4kids erfüllten die FOSS-Produkte die an die Lernsoftware gestellten Anforderungen nicht.

Der Gemeinderat erachtet es für eine umfassende Betrachtung der Sachlage als sehr wichtig, zwischen „offenen Standards“ und „offener Software“ zu unterscheiden. Die Konformität einer Software mit „offenen Standards“ hat nicht automatisch zur Folge hat, dass diese Software frei und offen gemäss dem Verständnis der Open Source Gemeinschaft ist. Es handelt sich demnach um verschiedene Elemente einer Informatiklösung.

Der Ausdruck „Offene Standards“ enthält die Wörter „Standard“ und „Offenheit“. Es gibt einen breiten Konsens darüber, dass ein „Standard“ in diesem Kontext ein technisches Protokoll oder ein Format definiert, welches durch einen formalisierten Prozess entwickelt wurde, wobei das Standardisierungsgremium allen Interessierten offen steht und Entscheide auf der Basis von Konsens oder Mehrheit gefällt werden. Mit „Offenheit“ werden in der Regel zusätzliche Prinzipien als Anforderungen an einen Standard gestellt. Häufig handelt es sich dabei um minimale Anforderungen an die Nutzungsbedingungen von geistigem Eigentum/Patenten und Richtlinien für Entwicklungs- und Pflegeprozesse. Diese Anforderungen können sehr ähnlich sein mit denjenigen, welche „offene Software“ charakterisieren.

Heute gibt es keine allgemeingültige Definition eines „offenen Standards“. Es sind mehr als ein Dutzend Definitionen bekannt, welche je nach Interessen bestimmte Prinzipien als förderungswürdig erachten. Eine gewisse Bedeutung hat die Definition der europäischen Union gemäss dem europäischen Interoperabilitätsrahmenwerk bekommen. Für die Behörden der Schweiz ist die Definition des Informatikstrategieorgans des Bunds (ISB) aus dem Jahre 2006 eine gute Referenz.

In der Stadt Bern gibt es heute keine abschliessende Definition für „offene Standards“. Es werden diejenigen Standards und Schnittstellen gefordert, welche für die Interoperabilität innerhalb der Stadtverwaltung sowie zu Stellen und Ämtern ausserhalb der Stadtverwaltung erforderlich sind. Es werden Produktstandards erlassen für Software, welche in allen oder mehreren Dienststellen zum Einsatz gelangt. Produktestandards sind in der Regel das Resultat einer öffentlichen Beschaffung und müssen vom strategischen Informatikführungsgremium der Stadt Bern, dem Informatiklenkungsausschuss (ILA), genehmigt werden. Der Prozess des Produktstandards ist in vielen Behörden der Schweiz etabliert und stellt sicher, dass für ein bestimmtes Einsatzgebiet nur ein einziges Softwareprodukt eingesetzt wird. Produktstandards müssen vorgegebene Kriterien erfüllen. Dabei spielt die Anforderung, dass die Software auch mit der installierten Microsoft Office Basis zusammenarbeiten kann, häufig eine bedeutende Rolle.

 

1. Die Positionierung von Offenheit und Plattformunabhängigkeit in der städtischen Informatik

Die städtische Verwaltung setzt mehrere Hundert Anwendungen ein, welche als zentrale Basisdienste allen Direktionen zur Verfügung stehen oder auch nur für die Unterstützung von dienststellenspezifischen Geschäften eingesetzt werden. Viele dieser Anwendungen sind nicht nur miteinander verknüpft, sondern auch mit einer hohen Zahl von Funktionen mit Microsoft Office integriert. Die elektronische Bearbeitung von Dokumenten sowie der Dokumentenaustausch verwaltungsintern als auch in der Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft und anderen Behörden ist Grundlage für eine effiziente Geschäftstätigkeit. Aus historischen Gründen und in enger Koordination mit anderen Behörden wie dem Kanton Bern oder dem Bund ist in den letzten Jahren eine Anwendungslandschaft entstanden, welche zu einem mehrheitlichen Teil auf proprietären Produkten basiert (z.B. Microsoft für Office-Anwendungen, Client- und Server-Plattformen sowie Datenbanksystemen, SAP für unternehmensweite Lösungen im Bereich Finanzen, Personal, Logistik und Einwohnerkontrolle, Ethelred für Zeiterfassung und Zutrittskontrolle). Diese dienststellenübergreifenden Anwendungen gingen mit Ausnahme von Microsoft Office als Sieger eines Wettbewerbs gemäss GATT/WTO Verfahren hervor. Es ist festzuhalten, dass Microsoft Office in der Stadtverwaltung Bern bereits sehr lange vor der Verfügbarkeit von vergleichbaren FOSS-Produkten eingesetzt und integriert wurde.

Oft werden die Anwendungen bei spezialisierten Informatikunternehmen eingekauft, welche weit verbreitete Produkte anbieten. Diese Anwendungen haben sich in der Praxis bewährt und weisen einen hohen Anlagewert auf. Zugleich ist eine lange Einsatzdauer gesichert. Sowohl im technischen Support als auch bei den Mitarbeitenden in den Direktionen der Stadtverwaltung ist ein grosses Wissen vorhanden, um diese Anwendungen zu bedienen, zu unterstützen, zu warten und an die geschäftsspezifischen Anforderungen zu adaptieren (z.B. Vorlagen erstellen, Macros programmieren). Veränderungen erfolgen bedarfsgesteuert und im Rahmen der Lebenszyklusplanung. Neubeschaffungen oder Lizenzerneuerungen von Software erfolgen in der Regel nicht isoliert sondern im Rahmen von gesamtheitlichen Beschaffungen (mit Dienstleistungen und teilweise mit entsprechender Hardware). Bei neuen Systemen muss auf die bestehende Anwendungslandschaft und die vorhandenen personellen Ressourcen Rücksicht genommen werden. Die Informatikdienste als verwaltungsinterne Leistungserbringerin stehen unter einem permanenten Spardruck und sind deshalb sehr darauf bedacht, die wirtschaftlichsten Lösungen einzusetzen.

Die Finanzen und funktionale Anforderungen an Produkt und Services sind die wichtigsten Entscheidungskriterien im Prozess der Erneuerungen. Die Finanzen beinhalten sowohl die externen Kosten als auch die internen Personalaufwände.

Erneuerung der Fachanwendungen

Fachanwendungen müssen die Geschäftsprozesse unterstützen und sollen bedienerfreundlich sein. In der Vergangenheit hat die notwendige starke Verknüpfung mit Betriebssystem und Office Anwendungen von Microsoft zu Abhängigkeiten geführt, welche in Zukunft und im Rahmen der Lebenszyklusplanung schrittweise reduziert werden sollen. Es ist langfristig das Ziel, dass verschiedenen Softwarekomponenten wie Office, Betriebssystem und Fachanwendung plattformunabhängig ohne Probleme zusammenarbeiten und bei Bedarf modular und unabhängig voneinander ausgetauscht werden können. Bis die heutige Abhängigkeit von Microsoft mehrheitlich eliminiert werden kann, muss mit einer längeren Zeitspanne gerechnet werden.

Erneuerung der Arbeitsplatzrechner

Um den vielfältigen Anforderungen zu genügen, werden alle Arbeitsplatzrechner mit einheitlichen Plattformen und Standardsoftware bestückt. Eine durch eine unabhängige und renommierte Beraterfirma in Zusammenarbeit mit mehreren Deutschschweizer Städten erarbeitete Studie zum Vergleich von Microsoft und Open Source Lösungen im Bereich der Arbeitsplatzrechner und Office Anwendungen aus dem Jahr 2008 hat ergeben, dass ein Wechsel auf offene Lösungen im Sinne von „Open Source Software“ zu einer starken und unerwünschten Fragmentierung der etwa 3 300 städtischen Arbeitsplatzrechner führen würde und der parallele Betrieb unterschiedlicher Lösungen ohne zusätzliches Personal und Know-how nicht zu bewältigen wäre. Die Studie hat auch ergeben, dass der Einsatz des LINUX-Betriebssystems mit OpenOffice Software zu Mehrkosten von mindesten 7 Mio. Franken während einer Nutzungsdauer von 5 Jahren führen würde.

Die Informatikdienste wählen bei allen Erneuerungen ein sehr pragmatisches Vorgehen. Insbesondere definieren sie die notwendigen Standards fallbezogen und ergänzend zu anderen funktionalen Anforderungen. „Offene Standards“ sind heute in der Stadt Bern dann etabliert, wenn sich damit Kosten sparen lassen und die Kompatibilität und Interoperabilität mit den Umsystemen gewährleistet ist.

Nebst „offenen Standards“ kommen in der Stadt Bern auch Open Source Lösungen zum Einsatz. So bei technischen Supportsystemen in den Bereichen IT-Sicherheit, Netzwerk oder Systemadministration, aber auch beim Webauftritt der Stadt Bern und für einzelne Funktionen auf den Arbeitsplatzsystemen.

 

2. Das öffentliche Beschaffungswesen in der städtischen Verwaltung

Die heute in Betrieb stehenden Geschäftsanwendungen wurden aufgrund von fachlichen und wirtschaftlichen Kriterien eingeführt. Die gültigen gesetzlichen Bestimmungen über das öffentliche Beschaffungswesen werden eingehalten. Dabei geben das Gesetz vom 11. Juni 2002 über das öffentliche Beschaffungswesen (ÖBG; BSG 731.2) und die Verordnung vom 16. Oktober 2002 über das öffentliche Beschaffungswesen des Kantons Bern (ÖBV; BSG 731.21) den gesetzlichen Rahmen vor. Die ÖBV macht in Artikel 12 Vorgaben zu den technischen Spezifikationen. Es ist der Wille des Gesetzgebers, dass technische Spezifikationen grundsätzlich in Bezug auf die geforderte Leistung zu referenzieren sind. Die Angabe technischer Spezifikationen in Ausschreibungsverfahren darf nicht dazu führen, dass gezielt einzelne Anbieterinnen und Anbieter, bestimmte Interessensgruppen oder Leistungen bevorzugt werden. Grundsätzlich ist es nicht verboten, bestimmte Produkte oder Handelsmarken zu bezeichnen, wenn den anderen Anbieterinnen und Anbietern durch den Zusatz „oder gleichwertiger Art“ die Möglichkeit offen gelassen wird, am Verfahren teilzunehmen.

Beschaffungen erfolgen in enger Zusammenarbeit mit der Fachstelle Beschaffungswesen der Stadt Bern und werden auf die Konformität mit der gültigen Informatikstrategie geprüft. Diese wurde im Jahr 2009 erneuert und durch den Gemeinderat im Mai 2009 genehmigt und in Kraft gesetzt. Sie beinhaltet wichtige Vorgaben und Richtlinien. Diese Richtlinien fordern, dass für die Konzeption und Bereitstellung von Anwendungen nach Möglichkeit Open-Source Software einzusetzen ist. Ebenso wird verlangt, dass Software, welche in mehreren Dienststellen zum Einsatz kommt, auf eine Software in einer Version pro Einsatzgebiet zu beschränken ist. Dies entspricht damit einem Produktstandard.

Die beschaffenden Dienststellen der städtischen Verwaltung führen bei einer Neubeschaffung in der Voranalyse umfassende Studien durch, um den Markt zu analysieren und alternative Lösungen miteinander vergleichbar zu machen. So erfolgten zuletzt vertiefte Analysen im Projekt „base4kids“, welches der Bereitstellung neuer Informatikmittel für die Volksschulen diente. Ebenso im laufenden Vorhaben für den Ersatz von 1 800 Arbeitsplatzsystemen in der Verwaltung. Die Analysen erfolgen auftragsbezogen, sind in der Regel aufwändig und erfordern zum Teil den Beizug von externen Firmen. Die Bewertung der alternativen Lösungenwird vor allem durch die erwarteten finanziellen Konsequenzen und die Verfügbarkeit von funktionsfähigen und praxiserprobten Lösungen geprägt. Bei der Erneuerung der Internetpattform fiel der Vergabeentscheid zu Gunsten einer Open Source Lösung für öffentliche Verwaltungen. Im Projekt „base4kids“ war die Auswahl an Open Source Fachanwendungen (vor allem in der Kategorie Lernsoftware) beschränkt oder im Urteil der Lehrerschaft funktional ungenügend. Deshalb musste für die Volksschulen eine kombinierte Lösung mit proprietärer und offener Software gewählt werden. In der Basisinstallation der base4kids-PC’s sind 21 von 30 Standardsoftware-Paketen Free- oder OpenSource-Software.

Die gesetzlichen Verordnungen und strategischen Richtlinien sind vorhanden, um die Beschaffung von Software-Anwendungen mit technischen Normen zu harmonisieren. Die Stadt ist gegenüber „offenen Standards“ und „Open Source Software“ positiv eingestellt, um diese nach Möglichkeit und angepasst auf den Einzelfall einzusetzen. Es gilt jedoch zu vermeiden, dass eine sehr restriktive Anwendung von „offenen Standards“ zu unerwünschten Einschränkungen führt, welche die Gebote der Transparenz und Gleichbehandlung verletzen und verhindern, dass in einem WTO Beschaffungsverfahren kein faires Auswahlverfahren herrscht und nicht das „wirtschaftlich günstigste Angebot“ den Zuschlag bekommt.

 

3. Stellungnahme zu den einzelnen Punkten der Motion

Ausgehend von der heutigen Situation beurteilt der Gemeinderat die Motion im Einzelnen wie folgt:

 

Zu Punkt 1:
Mit jeder regulatorischen Definition eines „Offenen Standards“ muss sich der Gesetzgeber bewusst sein, dass er die Schaffung eines offenen Markts gemäss den definierten Offenheitsanforderungen als förderungswürdig erachtet. Der Blick in die Zukunft darf aber nicht ausser Acht lassen, dass in der Vergangenheit die Etablierung von Quasi-Standards durch marktbeherrschende Hersteller toleriert wurde oder nicht zu vermeiden war. Es ist eine Tatsache, dass Software von marktbestimmenden Herstellern zum heutigen Zeitpunkt praktisch überall in der Überzahl ist. Die Stadt Bern hat eine mit vielen schweizerischen Behörden vergleichbare Situation. Allfällige Abhängigkeiten müssen über die kommenden Jahre schrittweise abgebaut werden. Der Gemeinderat erachtet das Instrument des „offenen Standards“ aber nicht als zielführend. Es wäre grundsätzlich falsch, wenn die Stadt Bern hier eigene Definitionen vornimmt. Es besteht die Gefahr einer Isolierung als Beschaffungsstelle in einem internationalen Markt und einer Diskriminierung von Anbietenden, welche diese strengen Anforderungen nicht erfüllen können.
Falls „Offene Standards“ als Muss-Kriterium aufgenommen würden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gross, dass nur eine oder gar keine Fachanwendung gefunden wird, welche die notwendige Funktionalität mitbringt. Damit entstehen auch grosse Probleme mit der Wirtschaftlichkeit.

Der Gemeinderat teilt die Meinung der Motionärinnen und Motionären deshalb nicht, dass die Stadtverwaltung eine neue und für die städtische Verwaltung spezifische Definition schaffen soll und diese als Muss-Kriterium bei Ausschreibungen aufzunehmen ist. Er lehnt diesen Punkt der Motion aus regulatorischen, beschaffungsrechtlichen, wirtschaftlichen und funktionalen Gründen ab.

 

Zu Punkt 2:
Der Gemeinderat teilt das Anliegen der Motionärinnen und Motionären, dass jede Definition eines „Offenen Standards“ mit einer eindeutigen Kriterienliste erfolgen muss. Er erachtet es jedoch nicht als sinnvoll, dass die Stadt Bern hier eine Pionierrolle übernehmen soll und empfiehlt ein Vorgehen, welches mit anderen Behörden in der Schweiz abgestimmt ist. Es muss das Ziel sein, eine im behördlichen Umfeld abgestimmte Definition zu übernehmen und im Bereich der gemeinderätlichen Zuständigkeit als Richtlinie zu erlassen. Der Gemeinderat lehnt deshalb die Motion in diesem Punkt ab.

Für eine materielle Auseinandersetzung mit den einzelnen Kriterien der Motionärinnen und Motionäre stützt sich der Gemeinderat auf die Offenheitsanforderungen gemäss OSS Strategie des Bunds aus dem Jahre 2005 ab. Diese ist etwas aktueller als die EU-Richtlinie aus dem Jahr 2004.

 

Offenheitsanforderungen des Bundes für einen „Offenen Standard“:

  •  der Standard ist publiziert und kann kostenfrei implementiert werden;
  • die zugehörige Dokumentation ist publiziert;
  • eine Zertifizierung durch das Standardisierungsgremium darf kostenpflichtig sein;
  • die offenen Standards und ihr Standardisierungsgremium bevorzugen keine Implementierung
    ausser nach dem Kriterium der technischen Standarderfüllung;
  • der Standard ist von einem Standardisierungsgremium genehmigt, das breit abgestützt ist
    (z.B. IETF, W3C, IEEE, ETSI, ITU, ISO);
  • der Standard wird gepflegt.

 

Zu Punkt 2a:
Der Gemeinderat teilt die Meinung der Motionärinnen und Motionäre, dass ein „Offener Standard“ durch eine Organisation ohne Gewinnorientierung beschlossen werden sollte. Die Definition der Motion berücksichtigt aber nicht, dass für gemeinnützige Organisationen auch eine Pflicht bestehen sollte, diesen auf einer konsens- und mehrheitsbasierten Weise zu entwickeln und für die Pflege Garantien zu übernehmen wären. Für den Gemeinderat sind die offiziellen Standardisierungsgremien wie oben aufgeführt massgebend. Er lehnt deshalb diesen Punkt der Motion ab.

 

Zu Punkt 2b:
Zweifelsohne muss ein offener Standard auch öffentlich publiziert werden. Darin ist der Gemeinderat mit den Motionärinnen und Motionären einig. Der Bezug von Spezifikationen kann in der Praxis aber kostenpflichtig sein. Das Kopieren und Weitergeben von Spezifikationen kann wegen Nutzungsrechten auch Einschränkungen unterliegen. Der Bund hat in diesem Bereich die Offenheitsanforderungen weniger restriktiv formuliert und gleichzeitig vorgesehen, dass für Konformitätsprüfungen Zertifizierungen möglich sind, welche kostenpflichtig sein dürfen. Aus Sicht des Gemeinderats ist der Punkt 2b der Motion zu restriktiv. Er lehnt ihn deshalb ab.

 

Zu Punkt 2c:
Wie die Motionärinnen und Motionäre ist auch der Gemeinderat der Ansicht, dass ein „Offener Standard“ wieder verwendbar sein sollte und die Wiederverwendung keinen Beschränkungen unterliegen darf. Es ist gerade das Ziel der internationalen Standards (z.B. Formate, Schnittstellen), dass diese möglichst in vielen Produkten Eingang finden. Wie jedoch oben erwähnt, gibt es bestimmte internationalen Standards, die bestimmten Nutzungsrechten unterliegen. Auch diesen Punkt der Motion lehnt der Gemeinderat daher als zu restriktiv ab.

 

Zu Punkt 2d:
Der Gemeinderat teilt die Meinung der Motionärinnen und Motionäre, dass keine proprietären Softwareprodukte als „Offener Standard“ definiert werden dürfen. Da ein Standard und eine Software aber grundsätzlich verschiedene Dinge sind und unterschiedlichen Entwicklungsprozessen und Lizenzgebührenmodelle unterliegen, macht diese Formulierung wenig Sinn. Weder der Bund noch die EU-Richtlinie kennen eine im Sinn vergleichbare Offenheitsanforderung. Der Gemeinderat lehnt deshalb diesen Punkt der Motion ab.

 

Zu Punkt 3:
Der Gemeinderat erachtet es als sehr wichtig, dass bei Aufträgen über Neubeschaffungen beziehungsweise Lizenzerneuerungen von Computer-Software die Vorgaben für Ausschreibungen gemäss WTO-Richtlinien konsequent umgesetzt und erfüllt werden. Dies ist bereits heute der Fall. Der Gemeinderat erachtet daher das Anliegen der Motion in diesem Punkt als erfüllt. Aus diesem Grund lehnt er auch diesen Punkt ab. Der Gemeinderat spricht sich gegen zusätzliche regulatorische Richtlinien aus.

 

Antrag

1. Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, die Interfraktionelle Motion abzulehnen. Er ist jedoch bereit, den Vorstoss als Postulat entgegen zu nehmen.

2. Die Antwort gilt in diesem Fall gleichzeitig als Prüfungsbericht.