Parldigi direkt Kolumne
Edith Graf-Litscher, Matthias Stürmer

Themen: Digitale Nachhaltigkeit, Kolumne


Parldigi direkt: Digitalpolitik gestern, heute und morgen

 

Jeden Monat veröffentlichen Politiker*innen, sowie digital-politisch engagierte Mitglieder der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit einen Beitrag in der „Parldigi-direkt“-Kolumne auf Inside-IT. In der ersten Auflage der Kolumne zogen Matthias Stürmer und Edith Graf-Litscher ein Fazit über ihre Erkenntnisse und gesammelten Erfahrungen der letzten13 Jahre in der Digitalpolitik.

 

Zum Auftakt der neuen „Parldigi direkt“-Kolumne bei inside-it.ch sagen Edith Graf-Litscher, SP-Nationalrätin, und Matthias Stürmer, Geschäftsleiter Parldigi, was sie in 13 Jahren Digitalpolitik gelernt haben.

Lang ist’s her: Vor über 13 Jahren haben wir im Mai 2009 zusammen mit weiteren Bundespolitikerinnen und -Politikern die Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit „Parldigi“ gegründet. Damals war die bundesrätliche „digitale Transformation“ noch weit weg. Man stelle sich vor, 2009 wurde Bitcoin gerade erst erfunden und das iPhone 3 kam in die Regale. Immerhin war „Open Source Software“ schon ein Thema – allerdings sehr kontrovers: Die Beschwerde der Open Source Anbieter gegen den 42-Millionen-Bundes-Freihänder an Microsoft bescherte uns früh die Aufmerksamkeit der Medien. Zwar wurde die Klage letztlich vom Bundesgericht abgewiesen, aber wenigstens sind Vendor Lock-In und Open-Source-Alternativen seither auf dem Radar der Digitalpolitik. Heute sind diese Probleme und Lösungsansätze wichtiger und dringender denn je, denn die Abhängigkeit der öffentlichen Informatik von IT-Herstellern hat in den letzten Jahren (auch durch den Cloud-Trend) noch stärker zugenommen.

 

Open Source wird zum Default in Bundesbern

Zum Glück wird heute zunehmend erkannt, wie Behörden von Open Source Software profitieren können; nicht nur durch den Einsatz bestehender Anwendungen, sondern auch durch Veröffentlichung des Codes von Software-Neuentwicklungen , um so gemeinsam mit anderen Organisationen die Anwendungen weiterzuentwickeln („Public Money, Public Code„). Was vor 10 Jahren noch exotisch klang und auf kritische Ohren stiess (zumindest in Bundesbern), wird in Kürze der Default-Modus in der Bundesinformatik: Im neuen „Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben“ (EMBAG) sollen Bundesämter ihre Programme grundsätzlich unter Open-Source-Lizenzen veröffentlichen, wenn keine triftigen Gründe dagegen sprechen. In der Praxis ist dies eh schon längst Realität, denn zahlreiche Bundesstellen publizieren seit vielen Jahren auf GitHub Open-Source-Komponenten, Anwendungen und ganze Plattformen wie beispielsweise das Geoportal des Bundes oder die Swiss Covid App.
Neben Open Source hat sich Parldigi aber schon bald auf einen weiteren digital-politischen Schwerpunkt fokussiert: 2011 lancierten wir eine Serie von Vorstössen zu Open Government Data (OGD). Zunächst fragten wir ganz unschuldig, wie denn der aktuelle Stand von Open Government Data in der Schweiz aussehe. Der Bundesrat antwortete brav, dass schon ganz viele Daten frei zugänglich seien, zum Beispiel die Rechtssammlung und die Auswertungen des Bundesamts für Statistik [sic!]. Aber es brauchte noch erheblichen politischen Druck, bis der Bundesrat 2014 die erste OGD-Strategie lancierte und diese 2019 erneuerte. Immerhin wird dieses Thema jetzt vom Bundesamt für Statistik mit einer eigenen Geschäftsstelle forciert. Und auch im EMBAG ist OGD prominent mit einem „Open Data by Default“-Paragraphen vertreten.

 

Fazit aus 13 Jahren Digitalpolitik

Viele weitere Themen wie Netzneutralität, Netzsperren, Bitcoin, Blockchain, Creative Commons oder E-Voting begleiteten wir in den 13 Jahren mit politischen Vorstössen, Gesprächen, Hearings und Dinners – insgesamt über 300 Beiträge umfasst der Parldigi-Blog heute. Neue Technologien, politische Geschäfte und Herausforderungen kommen und gehen, Anliegen entwickeln sich weiter, Ansprechpersonen und Bundesämter wechseln, aber gewisse Dinge ändern sich nie. Unser Zwischenfazit lautet somit:

  1. Die Öffentlichkeit verlangt von der Verwaltung mehr Digitalkompetenz. So entstand der Entwurf für das neue E-ID Gesetz, weil das Volk vom Bund erwartet, die elektronische Identität als staatliche Aufgabe wahrzunehmen. Und das EMBAG verlangt von den Bundesbehörden, dass sie künftig alle nicht Datenschutz-relevanten Daten als OGD veröffentlichen – eine grosse Herausforderung. Oder das neue Bundesgesetz über die Mobilitätsdateninfrastruktur (MODIG) will alle Daten aus dem öffentlichen und privaten Verkehr auf einer neuen Plattform zusammenführen – eine Herkulesaufgabe!
  2. Politikerinnen und Politiker benötigen mehr Digitalkompetenz für die politischen Herausforderungen der Zukunft. Neue digital-politische Regulierungen in der Schweiz und auf EU-Ebene (Digital Markets Act, Digital Services Act, Data Governance Act, Data Act, Artificial Intelligence Act etc.) sowie der rasche technologische Wandel verlangen viel von den heutigen Politikerinnen und Politikern. Parldigi setzt sich deshalb einerseits dafür ein, dass bei Wahlen digital-affine Kandidierende als Parldigi-Champions sichtbar werden. Andererseits bieten wir mit der MasterClass ausgewählten Parlamentarierinnen und Parlamentariern an, sich das nötige Knowhow für Fragen der Digitalpolitik anzueignen.
  3. Politisches Lobbying braucht einen langen Atem! Zwei Beispiele: Unsere 2014 eingereichte und vom Bundesrat unterstützte Motion, Beschaffungen ab CHF 50’000 transparent zu machen, wird dieses Jahr nun endlich zu einer langen (Excel?!)-Liste von Verträgen führen; wir sind gespannt. Oder die Parlamentarische Initiative aus dem Jahr 2016, Gebühren für Öffentlichkeitsanfragen weitgehend aufzuheben, wird immer noch in den Räten verhandelt – Ausgang ungewiss, aber wir bleiben dran!

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