Themen: Bildung, Microsoft, Presse, Schulen


30. Mai 2010, NZZ am Sonntag, Stefan Bühler – Die Fachstelle für Informatik in der Bildung warnt Schulen vor der Abhängigkeit von Microsoft. Hinter der Fachstelle stehen Bund und Kantone. Und über 30 Parlamentarier.

Ausgebrochen ist der Konflikt schon Anfang März: Damals veröffentlichte die Schweizerische Fachstelle für Informationstechnologien im Bildungswesen (SFIB) eine «Empfehlung in Sachen Microsoft School Agreement und Live@edu». Es war eine klare Absage an Microsoft: Das neue Angebot bringe für die Schulen «gravierende Nachteile» mit sich. Deshalb empfahl die SFIB «allen Entscheidungsträgern in IT- und ICT-Fragen an Schulen, auf den Erwerb oder die Erneuerung von Lizenzen für Produkte von Microsoft im Rahmen eines School Agreements zu verzichten». Statt dessen sei es angezeigt, «schrittweise auf schlanke IT-Infrastrukturen und freie Software zu setzen» – also weg von Microsoft hin zu frei verfügbaren Open-Source-Produkten. Seither schwelt der Konflikt zwischen der Fachstelle und Microsoft.

Streit um Datenschutz

Bemerkenswert: Hinter der SFIB stehen der Bund und die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) der Kantone. Die Fachstelle ist Teil von educa.ch, dem Schweizer Medieninstitut für Bildung und Kultur, einer gemeinnützigen Genossenschaft. Diese handelt etwa mit IT-Anbietern günstige Verträge aus, so «dass auch Schulen in kleinen Gemeinden, die nur geringe Mengen einkaufen, von günstigen Konditionen profitieren», sagt Educa-Chef Robert Koller. Der Verwaltungsrat wird präsidiert vom Bündner Erziehungsdirektor Claudio Lardi, Vizepräsident ist Mauro Dell’Ambrogio, Staatssekretär für Bildung bei Bundesrat Didier Burkhalter.

Der Streit zwischen der SFIB und Microsoft entbrannte bei Verhandlungen über die Fortsetzung des Vertrags «Partners in Learning». Dank diesem profitierten Primarschulen seit 2004 von vergünstigten Lizenzgebühren für Windows und Office-Produkte. Doch der Vertrag ist im Juni 2009 ausgelaufen. In den Verhandlungen beharrte Microsoft laut Educa darauf, künftige Rabatte nur zu gewähren, wenn Schulen auch die Microsoft-Webplattform «Live@edu» nutzen würden, die auch einen Mail-Dienst und die Dateiablage umfasst. Diese Verknüpfung akzeptierte die SFIB nicht. Sie machte Probleme mit dem Datenschutz bei «Live@edu» und die «zunehmende Abhängigkeit der Schulen von Microsoft-Produkten» geltend: Gemäss im Internet aufgeschalteten Nutzungsbedingungen werde Microsoft «ausdrücklich ermächtigt, persönliche Schülerdaten (Name, E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Postanschrift usw.) auf Vorrat zu sammeln, zu benutzen und bekannt zu machen», heisst es in der SFIB-Empfehlung vom März; die Bestimmungen würden «klar gegen das Datenschutzgesetz» verstossen.

Dieser Darstellung widerspricht Thomas Reitze von Microsoft Schweiz: «Dass Microsoft Schülerdaten sammelt, kommt für uns überhaupt nicht in Frage.» Die Nutzungsbedingungen, auf die sich educa.ch berufen habe, hätten sich auf einer «reinen Testseite» befunden, «die wir aufgeschaltet haben, damit Lehrkräfte Live@edu erkunden können». Die fraglichen Bestimmungen seien nicht gültig. «Wir sind daran, mit den Schulbehörden des Kantons Zürich die Nutzungsbedingungen auszuhandeln», erklärt Reitze, «und wir werden Live@edu in keiner Schule einsetzen, solange nicht alle datenschützerischen Fragen geklärt sind». Der Bildungsbereich sei Microsoft zu wichtig, als dass man das Vertrauen von Lehrern, Eltern und Schülern aufs Spiel setzen wolle.

Alternativen für Schulen

Sollte die Anpassung der Nutzungsbestimmungen erfolgen, «werden wir unsere Empfehlungen in diesem Punkt anpassen», sagt Educa-Chef Koller. «Dann bleibt aber immer noch die zunehmende Abhängigkeit von Microsoft.» Er kann auf prominenten Rückhalt zählen: Die «Parlamentarische Gruppe digitale Nachhaltigkeit» hat die Kritik der SFIB ausdrücklich begrüsst – die Gruppe wird präsidiert von den Nationalräten Christian Wasserfallen (fdp.) und Edith Graf-Litscher (sp.), ihr gehören über 30 Parlamentarier aller grossen Parteien an. Unterstützt wird Koller auch von seinem Auftraggeber: «Es ist im Interesse der Schulen, dass es Alternativen zum Monopolisten Microsoft gibt», sagt EDK-Generalsekretär Hans Ambühl, «das heisst nicht, dass Schulen völlig auf Microsoft-Produkte verzichten sollen.» Darum sollten die Gespräche mit Microsoft weitergeführt werden.

Kommentar erfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert