Min Li Marti Inside IT

Themen: Digitale Nachhaltigkeit, Kolumne


Demokratie braucht einen Raum, in dem der politische Diskurs stattfinden kann. Damit das funktioniert, müssen sich Medien und Politik neu orientieren, schreibt SP-Nationalrätin Min Li Marti in ihrer Parldigi-Direkt-Kolumne.

 

Der US-Wahlkampf von 2016 zwischen Donald Trump und Hillary Clinton führte im Nachgang zu einer Diskussion rund um die Wechselwirkung von Social Media und politischen Kampagnen. Fake News, Desinformation und Manipulation sind seither ein Dauerthema in der Politik. Selbst wenn vielleicht gewisse Medienartikel oder Sorgen übertrieben waren, stellen sich dennoch wichtige Fragen zum Funktionieren von politischem Diskurs: Wie insbesondere von der Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen dargelegt wurde, waren die Algorithmen von Facebook darauf ausgelegt, dass sie die Polarisierung und Extreme förderten. Dies hatte schlimme Folgen, wie beispielsweise bei der Verfolgung der Rohingya in Myanmar. Der öffentliche und politische Druck für eine Regulierung von problematischen Seiten bei den sozialen Medien nimmt seither überall zu – auch in der Schweiz.

Politische Kampagnen haben sich verändert

Gleichzeitig veränderten die sozialen Medien – und das Internet ganz generell – auch die Art und Weise, wie politische Kampagnen geführt werden. Während früher bezahlte Werbung vor allem in Zeitungen und auf Plakatwänden stattfand, hat sich ein signifikanter Teil der Kampagnen in die sozialen Medien verlagert. Denn dort ist es möglich, viel gezielter Werbung zu schalten, um genau jene Zielgruppen zu erreichen, die man ansprechen will. Das führt aber dazu, dass viele Inhalte des Wahlkampfs nur von den entsprechenden Zielgruppen gesehen werden können. Das erschwert die Transparenz und den öffentlichen Diskurs und fördert die Blasenbildung. Erschwerend kommt hinzu, dass die klassischen Medien an Bedeutung verloren haben und von immer weniger Menschen konsumiert werden. Gleichzeitig ermöglichten die sozialen Medien es auch Parteien, Politikerinnen oder Aktivisten direkt und unmittelbar zu kommunizieren.
Medien sind in der Krise, weil sich zum einen die Mediengewohnheiten der Menschen verändert haben, aber eben auch Werbung auf die Plattformen von Big Tech abgewandert ist. Dies wollen die Medien damit lösen, dass sie die grossen Plattformen zur Kasse bitten wollen. Mit dem Leistungsschutzrecht sollen Text oder Bildvorschauen (sogenannte Snippets) durch das Urheberrecht geschützt und abgegolten werden. Begründet wird dies damit, dass die Internetplattformen von Inhalten profitieren, die sie nicht abgelten würden… Das Problem: Die Grundprämisse dieser Abgabe stimmt nicht mehr. Denn die Plattformen sind immer weniger an „echten“ medialen Inhalten interessiert.

Digitale Infrastruktur stärken

Meta – Besitzer von Facebook und Instagram – hat angekündigt, dass man politische Inhalte im Algorithmus depriorisieren will. Also Katzen- und Kochvideos statt Politik oder Positionen. Das würde sich sowohl auf News, als auch die Politik auswirken. Denn wo findet Politik künftig statt, wenn Facebook und Instagram zu Orten werden, in denen Politik nicht mehr stattfindet? Zumal es kaum Alternativen gibt, seit Elon Musk Twitter zu einer Hatespeech-Schleuder namens X umgewandelt hat. Auch Tiktok wird es nicht richten, zumal der Kanal immer mehr unter Beschuss gerät wegen des Vorwurfs von politischer Manipulation durch die chinesische Regierung, aber auch wegen der schädlichen Wirkung auf Jugendliche. Verschiedene Techjournalistinnen und -journalisten weisen auch darauf hin, dass sich die Qualität und die Attraktivität des Internets und der sozialen Medien generell verschlechtert, weil immer mehr nur noch Werbung oder durch KI-generiertem Schrott geflutet wird.
Das alles wird dazu führen, dass sich Medien wie Politik neu orientieren müssen, vielleicht sogar die in den letzten Jahren aufgekommenen Polit-Influencerinnen, die mit Anna Rosenwasser sogar neu eine Nationalrätin stellen.
Demokratie braucht einen Raum, in dem der politische Diskurs stattfinden kann. Weiter braucht sie einen faktenorientierten, ressourcenstarken und kritischen Journalismus. Beides ist immer seltener gegeben: Wir müssen uns daher darum bemühen, dass eine öffentliche, digitale Infrastruktur für die Demokratie entsteht und gestärkt wird. Besser wird Politik dadurch vielleicht nicht. Aber sicht- und streitbarer.

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