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Themen: Beschaffungen, Deutschland, E-Government, Kolumne, Open Source, Parldigi-Partner


Die Schweiz muss vom grossen Nachbarn lernen und nicht wiederholt die gleichen Fehler machen, berichtet Parldigi-Vorstandsmitglied Adrian Zimmermann.

Die öffentliche Verwaltung braucht digitale Souveränität, um unabhängig und sicher zu sein. Dies kann mit der Nutzung von Open Source Software erreicht werden, die den Quellcode offenlegt und die Weiterentwicklung ermöglicht. Der Deutsche Bundesstaat hat dies erkannt und setzt bei seinem neuen Content Management System (CMS) auf das etablierte Open Source CMS TYPO3. Damit profitiert die Verwaltung von einer kostenlosen, qualitativ hochstehenden und nachhaltigen Software, die auch für andere Behörden, Private und Einrichtungen verfügbar ist. Das ist Public Money, Public Code!
Die Schweiz hingegen hat bei der Beschaffung von CMS‘ für die Bundesverwaltung in den letzten 20 Jahren oft planlos oder sogar durch Umgehung der Beschaffungswege gehandelt. Deshalb hatte Alt-Nationalrätin Edith Graf-Litscher 2022 eine Interpellation eingereicht, die von der Bundeskanzlei nur unbefriedigend beantwortet wurde. Graf-Litscher fragte, warum die CMS-Beschaffung nicht klar als solche ausgeschrieben worden sei. Die Bundeskanzlei antwortete, dass dies nicht das Ziel der Beschaffung gewesen sei, obwohl am Ende genau dies passierte. Weiter wollte die damalige Nationalrätin wissen, ob der Bund sich dafür einsetzen wird, dass das über 145 Millionen Franken teure Projekt als Open Source Software veröffentlicht werde. Doch dafür gibt es gemäss Bund keine Handhabe. Eine verpasste Chance!

Nach Adobe kam Livingdocs

Statt auf gute CMS-Lösungen zu setzen, die sich im Ausland bewährt haben, wurde teure, exotische Software eingeführt, welche die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern erhöht hat. Bereits vor 10 Jahren wurden hunderte Millionen ausgegeben für den Adobe Experience Manager (Interpellation B. Glättli, Intervention EFK). Dieser wird nun genauso aufwändig mit dem nächsten, überteuerten System abgelöst: Dem Closed-Source System Livingdocs, welches von einem einzigen Anbieter geliefert und gewartet wird. Das ist weder digital souverän noch wirtschaftlich sinnvoll.
Abhilfe bietet das neue Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (Embag), das den Bund künftig dazu zwingt, Eigenentwicklungen als Open Source Software freizugeben. Damit stärkt der Bund künftig nicht nur seine digitale Souveränität, sondern fördert auch die Transparenz, die Innovation und die Zusammenarbeit. Das ist im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, die für die Software bezahlen. Ein erster Schritt wäre, den Code von Livingdocs (Subunternehmer) als Open Source zu publizieren, wie es die Swisscom (Hauptanbieter Bundes-CMS) bei anderen Projekten auch schon getan hat (siehe Swisscom GitHub-Account). Das wäre ein Zeichen von gutem Willen und Verantwortung.

 

4 Gründe für Open Source Software

Warum ist Open Source Software überhaupt so wichtig für die öffentliche Verwaltung? Es gibt mehrere Gründe, die dafür sprechen: Sie ist …
• … kostengünstiger, da keine Lizenzgebühren anfallen und die Software auf verschiedenen Plattformen lauffähig ist. Das spart Geld, das für andere Zwecke eingesetzt werden kann.
• … qualitativ hochwertiger, da sie von einer grossen und vielfältigen Community entwickelt, getestet und verbessert wird. Das erhöht die Sicherheit, die Stabilität und die Funktionalität der Software.
• … nachhaltiger, da sie jederzeit weiterentwickelt, angepasst und wiederverwendet werden kann. Das fördert die Innovation, die Interoperabilität und die Langlebigkeit der Software.
• … transparenter, da sie den Quellcode offenlegt und die Nachvollziehbarkeit und die Kontrolle der Software ermöglicht. Das stärkt das Vertrauen, die Partizipation und die Rechenschaftspflicht der Verwaltung.
Deutschland hat diese Vorteile erkannt und setzt bei seinem neuen Bundes-CMS auf die Open Source Lösung Typo 3 (siehe Bund.de) das sich als professionell, barrierefrei, sicher, stabil und skalierbar erwiesen hat. Typo 3 ist eine der weltweit führenden Open Source CMS-Lösungen, die von über 500’000 Webseiten genutzt wird, darunter auch von vielen öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten, Ministerien und Gemeinden.
Die Risiken bei proprietärer Software sind nicht nur für die digitale Souveränität, sondern auch für die Wirtschaftlichkeit und die Nachhaltigkeit der Software problematisch. Der Bund zahlt einerseits einen zu hohen Preis für die Software und begibt sich andererseits über die Wartung von einem einzigen Hersteller in eine jahrelange Abhängigkeit. Und er verschenkt die Chance, von einer grossen und vielfältigen Open Source Community zu profitieren, die ständig neue Funktionen und Erweiterungen entwickelt. Das ist eine verpasste Chance, die Software als Open Source freizugeben und damit die Transparenz, die Innovation und die Zusammenarbeit zu fördern.
In diesem Sinne: Gut gemacht Deutschland! Und die Schweiz kann mit dem Embag nur noch besser werden.

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