Marcel Dobler Parldigi direkt

Themen: elektronisches Patientendossier (EPD), Gesundheit, Kolumne, Presse


Patientinnen und Patienten haben in der Schweiz allen Grund, sich über die Umsetzung des elektronischen Patientendossiers zu ärgern. Das EPD, wie es die Schweiz momentan kennt, ist keine Erfolgs­geschichte.

Seit Mai 2021 können Schweizerinnen und Schweizer elektronische Patientendossiers (EPD) eröffnen. Doch der Ansturm auf das EPD bleibt aus. Stand heute sind es nur 18’000, also 0,225% der Bevölkerung, die ihre Daten mit einer EPD-Lösung gespeichert haben – die meisten davon in der Westschweiz.

Too little, too late?

Das überrascht nicht – die wirtschaftliche Nützlichkeit ist wegen des Mangels an Anwendungsfällen noch immer nicht gegeben. Es gibt zwar erste Lichtblicke, wie beispielsweise der elektronische Impfausweis, der in den kommenden Monaten in den verschiedenen Stammgemeinschaften implementiert wird oder der Medikationsplan, der 2024 greift (PDF), aber das ist angesichts der rasanten Entwicklungen in Medizin und Wirtschaft zu wenig.

Man schaue sich nur privatwirtschaftliche Projekte an, die von Krankenkassen, Leistungserbringern, Apotheken, pharmazeutischen Unternehmen und weiteren Akteuren betrieben werden. Mittlerweile beteiligen sich auch “kantonsnahe” Unternehmen, also Organisationen, die sich in öffentlichem Besitz finden, an solchen umfassenden Health-Ökosystemen. Solche Projekte haben das Potenzial, das EPD links liegenzulassen. Laut eHealth Suisse kommt das Gesetz frühestens 2028. Das ist viel zu spät – im Hinblick auf die rasante Entwicklung in digitalen Schlüsseltechnologien wie KI, wo bereits heute viele regulatorische Unsicherheiten bestehen, erst recht.

Wie beleben wir das EPD neu?

Sehen wir die Vernehmlassung zur Totalrevision des EPD also als (letzte) Chance. Obschon nicht alle Weichen neu gestellt werden können, sind einige Verbesserungen immer noch möglich. So hat der Bund beschlossen, eine Opt-Out-Klausel vorzuschlagen. Das geht in die richtige Richtung, damit wird die Akzeptanz in der Bevölkerung weiter erhöht.

Darüber hinaus braucht es eine nahtlose Verknüpfung mit der E-ID, sowie eine Verpflichtung zur Integration der ambulanten Pflege. Auch die Governance muss deutlich verbessert werden. Das EPD darf nicht zum reinen Selbstzweck werden und komme, was wolle durchgesetzt werden.

Fehlende übergeordnete Digitalisierungsstrategie

Ein digitales Gesundheitssystem bedeutet im Kern ein patientenzentriertes und prozessorientiertes System. Das EPD ist ein integraler Teil davon, aber eben nur ein Teil. Es fehlt eine übergeordnete Digitalisierungsstrategie, welche die FDP fordert. Dieser Umstand erklärt die zahlreichen parlamentarischen Vorstösse, die in den letzten Jahren dazu eingereicht wurden. Damit die Digitalisierung im Gesundheitswesen endlich vorankommt, braucht es eine übergeordnete Digitalisierungsstrategie.

Dazu gehören eine Standardisierung in der Erfassung von klinischen Daten und die gegenseitige Integration von IT-Systemen zwischen Leistungs­erbringern und anderen Stakeholdern, sodass Daten in der gesamten Behandlungskette korrekt weitergeleitet und weiterverwendet werden können. Nur so erhöhen wir die Effizienz und senken die Gesundheitskosten.

Das EPD holistisch denken

Gelingt es nicht, in der anstehenden Vernehmlassung der Totalrevision diese minimalen Verbesserungen zu erreichen und das EPD in einer übergeordneten Digitalisierungsstrategie einzuordnen, stellen sich einige Fragen: ist der dezentrale Ansatz gescheitert und löst ein Neuanfang mit einem zentralisierten Ansatz die Probleme vielleicht doch besser? Muss das EPD neu gedacht werden, als wichtiger, aber bei weitem nicht einziger digitaler Bestandteil des Gesundheitssystems?

Eines ist klar: Die momentane Diskussion lenkt von den wesentlichen Zielen ab – der Vereinfachung des Systems und der Befähigung der Patienten. Das ist Digital Health, alles andere ist Verzettelung und verpuffte Energie.

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