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Themen: Events, Kt. Basel-Stadt, Microsoft, Presse


Die OpenExpo ist der grösste Schweizer Open Source Software Event und findet innerhalb der Topsoft am 24./25. März 2010 in Bern bereits zum achten Mal statt. Inzwischen ist Open Source Software aus der Nische herausgetreten und in der ICT-Welt kaum mehr wegzudenken. Unter anderem sorgen heute kommerzielle Vertriebskanäle und Servicelösungen für garantierte Betriebs- und Wartungsleistungen. Und dennoch sind noch viele Fragen offen, zum Beispiel: Sind die Lösungen KMU-tauglich? Wie sieht es mit Sicherheitsanforderungen aus? Wer unterstützt und garantiert?

Open Source Software ist allgegenwärtig und doch unsichtbar. Dies jedenfalls ist eine mögliche Interpretation der SwissICT FOSS Studie aus dem letzten Jahr. Demnach verwenden heutzutage in der Schweiz 82 Prozent der befragten Unternehmen Open Source Software oder planen deren Einsatz in naher Zukunft. Wenn man jedoch Geschäftsleiter oder IT-Kaderpersonen fragt, ob Linux & Co. in ihrer Firma angewendet werden, verneinen dies die meisten. Wie kommt diese Abweichung zustande?

Es gibt dafür mehrere Gründe. Einerseits wollen sich Firmen mit dem Einsatz von Open Source Software nicht zu stark exponieren, denn deren Bewährung im Markt ist noch nicht breit abgestützt und Pioniere, die den Kopf hervorzustrecken wagen, riskieren oftmals Kritik, falls etwas bei der Informatik schief geht – auch wenn es keinen direkten Zusammenhang mit der Einführung der Open Source Lösung gibt. Andererseits wird Open Source Software oftmals auch bewusst oder unbewusst «unter dem Radar» des Software Managements eingesetzt.

Beispiele für den Einsatz

Wie dies noch vor kurzem bei der Mobiliar-Versicherung der Fall war, wird René Nef, Leiter IT Plattformen, in seinem Referat an der OpenExpo am 25. März 2010 berichten. Unterdessen setzt das Versicherungs-Unternehmen Open Source Lösungen nicht mehr unkontrolliert und punktuell ein, sondern hat eine klare, strategische Stossrichtung beim Einsatz von Open Source Software definiert. Mittels vorgegebenen Kriterien werden Open Source Produkte evaluiert und auf ihre «Business Readiness» geprüft.

Ein anderes Beispiel stellt die Manor AG dar. Sie ist mit rund drei Milliarden Umsatz und 12000 Mitarbeitenden die grösste Schweizer Warenhauskette. Wie Abteilungsleiter Beat Schaller berichten wird, hat Manor 2009 eine Open Source Strategie formuliert, die durch den gezielten Einsatz von Open Source Lösungen vorsieht, IT-Kosten zu senken und die Unabhängigkeit der Informatik zu erhöhen.

Nicht nur Akteure aus der Privatwirtschaft, sondern immer mehr auch öffentliche Institutionen setzen Open Source Software ein. Neben den bekannten Beispielen aus Solothurn, Waadt und Genf hat neu auch der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt Anfang Februar 2010 eine explizite Open Source Förderungsstrategie verabschiedet. Darin hält er fest, dass Open Source Alternativen bei Software-Beschaffungen besser berücksichtigt werden, dass künftige Eigenentwicklungen unter einer Open Source Lizenz veröffentlicht werden und dass eine Pilot-Migration auf Linux Thin Clients durchgeführt werden soll. Weitere Einzelheiten zur neuen Open Source Strategie wird Priscilla Dipner-Gerber, Leiterin der Fachstelle für Informatik und Organisation des Kantons Basel-Stadt, am 24. März 2010 an der OpenExpo bekanntgeben.

Starkes Wachstum und garantierter Service

Gewisse Open Source Lösungen erleben einen besonderen Boom. So verzeichnet Red Hat gemäss Solution Consultant Roland Hänggi (Vortrag am 25. März 2010 an der OpenExpo) in den letzten Monaten ein starkes Nachfragewachstum von JBoss, dem bekannten Open Source Java Application Server. Gemäss Definition von Open Source Software kann diese Lösung kostenlos und quelloffen auf der JBoss-Website heruntergeladen und anschliessend, falls gewünscht, verändert und weiterverteilt werden. Allerdings wünschen sich viele Firmen, die businesskritische Applikationen auf JBoss betreiben wollen, auch professionelle Wartung und Support, sowie Garantien mittels Service Level Agreements. Diese Lücke füllen nun Open Source Unternehmen wie Red Hat, deren Geschäftsmodelle auf Dienstleistungen für Open Source Produkte basieren. Durch den Abschluss von Support-Abonnementen, den sogenannten «JBoss Subscriptions», erhalten KMUs und andere Informatik-Bezüger die notwendige Absicherung für deren Software-Einsatz und Red Hat wiederum kann die Weiterentwicklung der JBoss-Suite finanzieren.

Offene Fragen

Die Zukunft von anderen Open Source Lösungen ist weniger klar. MySQL, die bekannteste Open Source Datenbank wurde kürzlich, im Rahmen der Akquisition von Sun Microsystems, durch Oracle gekauft. MySQL Experte Oliver Sennhauser wird deshalb im Rahmen seines OpenExpo-Referats am 25. März 2010 Auskunft geben, in welcher Form dieser grosse Software-Deal Konsequenzen für KMUs hat, die MySQL einsetzen. Auch wird er mögliche Szenarien aufzeigen, wie es mit MySQL weitergehen könnte und was die strategischen Alternativen sind.

Zwar auch von Sun initiiert, aber wesentlich unabhängiger aufgestellt, ist die Open Source Office Suite OpenOffice.org. Der Redner Lothar K. Becker verfügt als Migrations-Berater über breite Erfahrung im Umgang mit Office-Lösungen im Business-Umfeld und kann deshalb die Stärken und Schwächen von OpenOffice.org gegenüber Microsoft Office gut abschätzen.

Neue Entwicklungen

So wie der Trend für Web-Lösungen generell zunimmt, bewegen sich auch Open Source Lösungen immer mehr auf das Internet zu. Sei es die prämierte Projekt- und Taskmanagement-Lösung todoyu, die Joel B. Orlow von Snowflake vorstellen wird oder auch die Internet- und Intranet Plattform PloneGov.ch, portraitiert von Bernhard Bühlmann von 4teamwork. Besonders interessante Entwicklungen zeichnen sich im E-Learning Bereich ab. Einerseits wird an der OpenExpo am 24. März 2010 erstmals die Learning Content Authoring und Management Lösung Docendo von Matthias Scheidl von der ETH Zürich vorgeführt. Andererseits präsentiert die mit dem Google O’Reilly Open Source Award ausgezeichnete Penny Leach von Liip die E-Portfolio Plattform «Mahara». Zur Zeit ist der Begriff E-Portfolio ein derart neuartiges Konzept, dass es noch kaum grosse Verbreitung gefunden hat. Das Potential für eine umfassende Online-CV-Lösung inklusive Social Networking und Blogging Plattform à la Facebook ist jedoch gross. Gerade wenn Firmen und Bildungsinstitutionen aus Gründen des Datenschutzes eigene Kommunikations-Netzwerke aufbauen möchten, eignet sich die Open Source Lösung Mahara gut, um die individuellen Anforderungen zu realisieren.

Nicht nur eine Wolke

Ein weiterer IT-Trend ist Cloud Computing – auch da bietet der Einsatz von Open Source Software die Möglichkeit, das Technologie-Potential voll auszunutzen. Will nämlich ein Unternehmen eine technisch skalierbare Lösung anbieten, kann bei einem Anbieter wie Amazon ein Web-Service gemietet werden, der in Minutenschnelle die Bandbreite der Web-Hostings anpassen kann. Wird beim Skalieren mit proprietärer Software gearbeitet, entsteht eine mühselige Situation, in der Softwarelizenzen plötzlich per CPU abgerechnet werden müssen und somit die Software-Kosten unberechenbar bleiben. Da bietet sich der Einsatz von Open Source Software an, die ohne zusätzliche Kosten auf beliebig viele Benutzer und Server verteilt werden kann. Genau nach diesem Prinzip setzt die Swisstopo seit kurzem auf Cloud Computing mittels Open Source Software, wie Hanspeter Christ und David Oesch vom Bundesamt für Landestopografie an der OpenExpo erläutern werden.

Ausblick

Auf Open Source Software basierende Technologien und Geschäftsmodelle entwickeln sich stetig weiter und folgen auch den regulären IT-Trends. Ob aber in nicht allzu ferner Zukunft die Masse der Informatik-Anwendungen auf Open Source Lösungen basieren wird, ist mehr als fraglich. Es müssen noch einige Anstrengungen unternommen werden, um in den KMU-Welten noch besser zu reüssieren. Wo sich der Open Source Markt heute befindet, welche Lücken noch bestehen und wie sich die technische und wirtschaftliche Situation von Open Source Software entwickeln könnte, diskutieren zum Abschluss der OpenExpo Manuel Michaud von Microsoft (Schweiz) sowie der Autor dieses Artikels, im Rahmen eines von KMU LIFE Redaktor Georg Lutz moderierten Podiumsgesprächs.

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