Themen: Kt. Solothurn, Öffentliche Beschaffung, Vorstoss


MEDIENMITTEILUNG DER
PARLAMENTARISCHEN GRUPPE DIGITALE NACHHALTIGKEIT

Bern, 16. Dezember 2010

Nachdem der neue Amtsvorsteher des Amt für Informatik und Organisation (AIO) des Kanton Solothurn den Umstieg von Linux auf Windows auf dem Desktop in die Wege geleitet hat, werden nun kritische Stimmen im Solothurner Kantonsrat laut.

Ausgelöst durch die Interpellation „IT Strategiewechsel des Kantons“ von René Steiner (EVP) wurde gestern im Solothurner Parlament die Thematik rund um den Linux-Desktop Ausstieg diskutiert. Steiner äusserte dabei unter anderem den Verdacht, dass der Wechsel zu Windows nicht einer fundierten Wirtschaftlichkeitsrechnung entspringt, sondern eine emotional geprägte Frustreaktion sei. „Es scheint so, als ob Linux als Sündenbock für die Führungsschwäche im AIO hinhalten muss.“ vermutet Steiner.

Als Beispiel führte er an, dass sich die Beschwerden der Benutzer vor allem auf die eingesetzte Maillösung Scalix bezogen hätten. Anstatt deswegen die Arbeit von 10 Jahren über Bord zu werfen und auf Windows zu migrieren, hätte man anstelle von Microsoft Outlook andere Open Source Mail- und Groupware Produkte einführen können, die das Problem ebenfalls gelöst hätten.

Tatsächlich hat das AIO in einer Medienmitteilung kürzlich zugegeben, dass die durch die Open Source Strategie erzielten Einsparungen in der Höhe von ca. 10 Millionen Franken durch die kommende Windows-Migration grösstenteils aufgefressen werden. Und dies obwohl Insider berichten, dass Microsoft ihre volle Unterstützung bei der Migration zugesagt hat.

Zudem wies René Steiner darauf hin, dass der Kanton Solothurn beim Bezug der Nachfolgeprodukte das Beschaffungsrecht beachten müsse, also eine hersteller- und produktneutrale Ausschreibung stattfinden soll. Andernfalls gehe der Kanton Solothurn das Risiko ein, dass wie bei der Bundesverwaltung eine Beschwerde eingereicht wird. Die Beschwerde beim Bund gegen eine freihändige Vergabe an Microsoft in der Höhe von 42 Millionen Franken befindet sich zur Zeit vor dem Bundesgericht.

Kontakt
Dr. Matthias Stürmer
Geschäftsführer Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit
matthias.stuermer@ch-open.ch, +41 76 368 81 65

2 Kommentare

  • Da es VOR ALLEM im Bereich von öffentlichen Verwaltungen sehr erfolgreiche Linux-Projekte gibt, scheint mir ein einfacher Rückschritt zu einem anderen Betriebssystem ohne genaue Untersuchung des zuständigen Projektmanagementes höchst fahrlässig.
    Es ist natürlich nicht wirklich möglich, die Situation von aussen zu beurteilen, aber für mich stellen sich folgende Fragen:
    1. Sind die zuständigen Stellen und Personen überhaupt in der Lage, ein solches Migrationsprojekt durchzuführen, ohne dass eine Firma wie Microsoft die Führung übernimmt? Wobei hier die „Firma Microsoft“ allgemein steht für die Abhängigkeit von einer Grösse ausserhalb der eigenen Führung.
    2. Wurde im Vorfeld des Entscheides für den Wechsel nach Linux überhaupt eine Ist-Aufnahme durchgeführt, die bestätigte, dass ein Technologiewechsel gerechtfertigt wäre? Wie fundiert war diese und wie genau wurden die Betriebsprozesse dahingehend untersucht?
    3. IT-Technologien und Prozessmanagement sind heute in keiner Organisationsform komplett voneinnander zu trennen. D.h., ein Technologiewechsel impliziert stets auch eine Überarbeitung der Prozesslandschaft. DASS etwas funktioniert, heisst noch lange nicht, dass die Betreiber wissen, WARUM es funktioniert. Wenn nur eine bestimmte Technologie die Aufrechterhaltung von Betriebsabläufen garantiert, gibt es 2 Möglichkeiten:
    A) Die Symbiose von Technologie und Organisation ist tatsächlich die im aktuellen Umfeld bestmögliche – dann müssten die Gründe dafür den Verantwortlichen bekannt sein und es käme gar nicht erst zu einem so verheerenden Fehlversuch.
    B) Die Verantwortlichen kennen die Prioritäten und Prozesse ihrer Betriebsorgansiation nicht oder nicht genügend, um diese bei einem Wechsel des Instrumentariums sicherstellen zu können.

  • Inside-IT schreibt: „Solothurns Kehrtwende kostet 8,5 Millionen“:
    http://www.inside-it.ch/frontend/insideit?&site=ii&_d=_article&news.id=24185
    SO ist ursprünglich auf Linux umgestiegen, um Geld zu sparen, und genau das wurde erreicht, ein schöner Beleg, dass FOSS von Anfang an weniger kostet, wenn man will. Wenn man nicht mehr will, wie jetzt beim Kanton SO, kostet es dann eben wieder mehr, und viele der Erfahrungen der letzten Jahren werden in den Sand gesetzt.
    Siehe übrigens auch:
    http://wilhelmtux.ch/index.phtml?PID=71&MID=1
    Hier wurde versucht, den Stand bis November 2010 zu analysieren.

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