Themen: Bundesverwaltung, Juristisches, Microsoft, Öffentliche Beschaffung


Château Frontenac in Vieux-Québec
Château Frontenac in Quebec City, Quelle Wikipedia

Das bekannte Beschwerdeverfahren am Bundesverwaltungsgericht findet nicht im luftleeren Raum statt. Weltweit beschäftigen sich auch andere Verwaltungen und Gerichte mit der Open Source Beschaffungs- oder eben Beschaffungs-Ausschluss-Frage.

Aktuell erreicht uns ein brisantes Urteil aus Kanada, welches in einem ähnlich gelagerten Fall klar zu entscheiden hatte: die öffentliche Régie des rentes du Québec kaufte 2006 für über 800’000 CHF Microsoft Windows Lizenzen – ohne offene Ausschreibung. Der Cour Supérieure du Québec hat diese Praxis nun am 3. Juni 2010 als klar rechtswidrig gebrandmarkt.

In einer ersten Lektüre des schriftlichen Urteils (PDF, französisch) fallen die folgenden Punkte auf:

  1. Die Verwaltung konnte auf keine Art und Weise darlegen, weshalb wie von ihr angeführt keine andere Lösung in Frage komme. Das Gericht akzeptierte die vorgebrachten Argumente (z.B. allfällige Migrationskosten) klar nicht als die vom Gesetz verlangte ernsthafte, detaillierte und dokumentierte Abklärung der Angebote am Markt.
  2. Die durch die Verwaltung durchgeführte „intra-brand“ Ausschreibung, d.h. das Einholen von Offerten verschiedener Microsoft-Reseller, befand das Gericht aus gleichem Grund für regelwidrig. Die Einschränkung auf ein spezifisches technisches Produkt anstatt der Beschaffung einer Lösung für einen geschäftlichen Bedarf entbehrte jeglicher juristischen Grundlage.
  3. Die Beschwerdeführerin, die rund 25 Personen starke Open Source Anbieterin Savoir-faire Linux, sei, so führte die von der Firma Microsoft im Prozess unterstützte Verwaltungsstelle an, nicht zu einer Beschwerde legitimiert, da sie ja nicht geschädigt worden sei – eine Alternative hätte diese ja bestimmt nicht anbieten können. Das Gericht folgte auch dieser Argumentation nicht und fügte an, die Eignung eines Angebots für eine spezifische Situation sei am besten eben genau mit einer öffentlichen und offen gestalteten Ausschreibung zu prüfen.

Es bestehen dabei offensichtlich in einigen Bereichen Parallelen zum Fall in der Schweiz. Auch hierzulande wurde bekanntermassen versucht, den teilweise kleineren Open Source Unternehmen die Beschwerdeberechtigung abzusprechen und diese als Störenfriede zu diskreditieren. Solcherlei Taktik erteilte man in Kanada eine eindeutige Absage.

Cyrille Béraud von Savoir-faire Linux widmete den Erfolg der Jugend von Québec und kommentierte in seinem Blog den Entscheid wie folgt:

«Der Jugend sage ich: euch gehört die Welt.

Sie gehört nicht den Konzernen. Sie gehört nicht den Funktionören. Sie gehört nicht den Staaten, die vergessen hatten, dass sie zuallererst im Dienste der Gesellschaft stehen.

Ich sage auch, dass man mit Werten Wohlstand schafft. Und Wohlstand ohne Werte ist bloss Plünderei.»

Ob sich für die Situation in der Schweiz rechtliche Rückschlüsse ziehen lassen, müssen Juristen entscheiden. Bezeichnend allerdings ist der globale Trend, der immer klarer gegen das bestehende Desktop-Monopol spricht, gegen ungesunde strategische Abhängigkeiten in der IT und gegen die Fortsetzung einer intransparenten Beschaffungspraxis, wie wir sie in der Schweiz nur zu gut kennen.

Weitere Quellen zum Beschaffungsfall in Kanada

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