Gerhard Andrey

Themen: Bundesverwaltung, Digitale Nachhaltigkeit, Digitale Souveränität, E-Collecting, E-ID, Kolumne, Open Source


Kolumnist Gerhard Andrey sieht die Schweiz in gefährlicher Abhängigkeit von Big Tech. In seiner Kolumne fordert er den Aufbau eines digitalen Schweizer Ökosystems mit Open Source Software für mehr Souveränität.

In den vergangenen Jahren hat das Bundesparlament bemerkenswerte Entscheidungen getroffen, um mehr Digitale Gemeingüter zu schaffen. Es hat ein Gesetz verabschiedet, dass den Bund zwingt, in Auftrag gegebene Software als Open Source – also auch der Allgemeinheit frei zur Verfügung stehende Software – zu veröffentlichen. Es will auch ambitionierte Gemeinden und Kantone finanziell unterstützen, wenn sie ihre behördlichen Prozesse mit Open Source Software umsetzen. Die e-ID Vertrauensinfrastruktur hat Open Source zu sein, die Swiss Government Cloud soll Open Source bevorzugen und e-Collecting sowieso.

“Public Money, Public Code” ist in Bern angekommen. Aus ökonomischen Gründen, weil die Wirkung eines so ausgegebenen Steuerfrankens maximiert und der hiesige Werkplatz gestärkt wird. Und natürlich, weil mit quelloffener Software Vertrauen geschafft und transparent nachverfolgt werden kann, was eine Applikation mit den Daten macht. Im Gegensatz zu den proprietären Blackboxlösungen, wo einem dies meist verwehrt bleibt.

Es gesellt sich aber auch ein neues, nicht minder gewichtiges, immer virulenteres Argument hinzu – nämlich um digital selbstbestimmter unterwegs sein zu können, um nicht auf Gedeih und Verderb abhängig zu sein von einer Handvoll Digitalkonzernen. Wie Big-Tech nämlich für die Trump-Administration kampffähig gemacht werden kann, konnte im Mai beobachtet werden: Weil der Chefankläger des internationalen Strafgerichtshofs der US-Regierung ein Dorn im Auge ist, hat ihm Microsoft den Zugang zu den E-Mails kurzerhand gesperrt. So zumindest die nicht dementierte Berichterstattung.

Die unangenehmen geopolitischen Verwerfungen die nun handfest sichtbar werden zwingen uns, jetzt Schweizer Alternativen zu bauen. Es geht um nicht weniger als ein nationales “Business Continuity Management”, also ein Regime, das uns handlungsfähig behält, auch wenn Big-Tech Dienste nicht zur Verfügung stehen – sei dies bei der Cloudinfrastruktur, der Büroautomation oder KI. Und wenn mir sogar Schweizer Grossunternehmen sagen, sie wären nicht ungern auf solchen öffentlichen Infrastrukturen, scheint sich gerade etwas fundamental zu ändern.

Das Parlament schafft gesetzliche Grundlagen, damit eine digitales Gemeingutökosystem entstehen kann. Es ist jetzt am bestens gerüsteten digitalen Werkplatz Schweiz, den Ball aufzunehmen und gemeinsam diesen “Kernel” zu bauen, der uns nicht nur unabhängiger macht, sondern auch digitale Wertschöpfung in die Schweiz zurückholt. Klug, ambitioniert und als Willensschweiz angegangen, könnte dies wiederum zu einem Exportschlager werden: sichere, quelloffene Schweizer Qualitätssoftware für mehr digitale Souveränität.

1 Kommentar

  • Ich bin ein grosser Freund von Open Source, aber das löst nicht die Abhängigkeit von Big Tech. Big Tech – im Sinne der Hyperscaler – bietet stabile, skalierbare und dokumentierte Plattformen für alle Tech Wünsche an. Sei es auf der Ebene der Infrastruktur (IaaS) oder sei es auf der Ebene der Plattformen (PaaS), die lästige Infrastrukturarbeiten abstrahieren. Das ist die primäre Ebene der Abhängigkeit. Ob wir darauf nun Open oder Closed Source betreiben, ist ein nachgelagertes Problem.

    Eine weitere von losgelöste Ebene, für die es dringend eine Lösung braucht sind Kernkomponenten, die Verwaltungen und Firmen von Big Tech nur allzu gern einkaufen. Beispiele sind Microsoft’s Active Directory oder SAP als ERP. Sobald diese Komponenten in Betrieb sind und gelebt werden, gibt es kein Entkommen aus Microsofts Ökosystem bzw. aus der Endlosschleife externer SAP Berater.

    Open Source ist eine sehr gute Sache im Sinne der Nachnutzbarkeit und ich bin sehr grosser Fan davon – auch im Privaten. Aber die Kernprobleme der Abhängigkeit von Big Tech sehe ich ganz woanders.

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