Jörg Mäder

Themen: Kolumne, Künstliche Intelligenz, Presse, Schulen


Unterhalten sich künftig Maschinen miteinander, fragt sich GLP-Nationalrat Jörg Mäder in seiner Parldigi-Direkt-Kolumne. Viel wichtiger findet er aber, dass Transparenz geschaffen und risikobasiert reguliert wird.

„Wer bedient wen?“ war jeweils die Frage, die ich meinen Schülern gestellt habe, wenn sie mich fragten, ob sie an der kommenden Mathematikprüfung den Taschenrechner benutzten dürfen. Natürlich durften sie ihn benutzen – ab der zweiten Prüfung. Die erste mussten sie von Hand bestehen, bei der zweiten stellte ich einen einfachen wissenschaftlichen Taschenrechner zur Verfügung. Ab der dritten durften sie den ‚grossen‘ benutzen, mit all seinen Funktionen, vom Grafikplotter bis zum Equation-Solver.

Den bewussten Umgang lernen

Natürlich sollten sie ihn benutzen. In ihrem späteren Berufsleben werden sie alle Hilfsmittel einsetzen, ja einsetzen müssen. Mein Ziel war es, dass sie nicht einfach Zahlen eintippen und angezeigte Ergebnisse abschreiben, sondern verstehen, was der Rechner für sie macht, was das Ergebnis bedeutet und vor allem was nicht.

Dieser Ansatz gilt für alle Hilfsmittel, ob Taschenrechner, Google-Suche oder Wikipedia, ja selbst für einen Multifunktions-Winkelschleifer. ChatGPT und seine Kollegen aus der Küche der künstlichen Intelligenz ändern daran nichts. Wir sollten daher die neuen Möglichkeiten in unseren Arbeitsalltag einbauen, aber vor allem auch in die Ausbildung. Es bringt nichts, der künftigen Generation ein Tool zu verbieten, nur weil wir es damals auch nicht hatten. Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Wir müssen den bewussten Umgang damit lernen. Wir müssen zahlreiche Lehrpläne und Unterrichtsmethoden überarbeiten, aber immer mit der Frage „Wer bedient wen?“ im Zentrum.

Gespräche zwischen Mensch und Maschine

Eine Sache ändert ChatGPT aber grundlegend. Mit ihm kann man reden, ja sogar ganze Gespräche führen. Genau dafür wurde er trainiert: Chatten. Im Moment merkt man noch recht schnell, insbesondere wenn man die richtigen Fragen stellt, ob Mensch oder Maschine antwortet. Aber blicken wir doch ein bisschen in die Zukunft: Ich gebe „meinem“ Chatbot den Auftrag, auf Plattformen für Secondhand-Velos ein gutes Bike für maximal 900 Franken zu finden und zu ersteigern. Das passende ist schnell gefunden, kostet aber 990 Franken. Also kontaktiert er den Verkäufer und bietet 750 Franken. Wer wird antworten? Der Verkäufer? Dessen Chatbot? Ist das überhaupt wichtig? Sollte man das verbieten? Wer würde das Verbot kontrollieren? Ein Mensch oder ein weiterer Bot, der mit den anderen Kontakt aufnimmt, um herauszufinden, wer Mensch und wer Maschine ist?

Wie regelt man Künstliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz regelt man sicher nicht über die Technologie. Denn die ändert sich viel zu schnell. OpenAI hat das Fenster in die Zukunft geöffnet. Aber ob Sprachmodelle das grösste und beste Fenster sind, ist noch lange nicht gesagt. Zahlreiche Entwickler, Firmen und Staaten – seriöse wie dubiose – werden jetzt erst recht ausprobieren, was sonst noch funktionieren könnte. Und natürlich sind auch Geheimdienste und das organisierte Verbrechen mit von der Partie.

Wenn nicht Technologie, was dann? Ein wichtiger erster Schritt wäre Transparenz. Transparenz über das eingesetzte System, die Trainingsdaten und Resultate von Testszenarien. Wichtig ist aber auch, dass wir risikobasiert regulieren. Bei einem System, das belanglose Sachfragen beantwortet, braucht es viel weniger Transparenz als bei einem, das über Betriebsbewilligungen oder Sozialhilfen entscheidet. In heiklen Fällen muss es zudem immer möglich sein, dass man eine Entscheidung durch einen Menschen verlangen kann. Nicht, dass am Schluss noch ein Bot die Beschwerde über einen anderen Bot bearbeitet. Aber wer weiss, vielleicht wurde die Beschwerde an sich auch schon von einem Bot verfasst.

Abwarten können wir nicht

Noch glaube ich nicht an dystopische Szenarien, in denen Roboter die Herrschaft übernehmen. Was mir aber Sorge macht, ist die Frage, ob wir als Individuen und als Gesellschaft schnell genug lernen, mit künstlicher Intelligenz umzugehen. Oder ob Akteure, staatliche wie andere, schneller sind und wir bald nicht mehr zwischen Mensch und Maschine, Information und Propaganda, Wahrheit und Schein unterscheiden können. Eines ist klar, warten können wir nicht.

PS: 850 Franken, Abholung vor Ort. Ich schicke meinen Roboter. Der hat eh die bessere Kondition.

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