Eine gegen Alle? Die Revision des Fernmeldegesetzes gibt am Open Hearing zu Reden


Themen: Bundesrat, Digitale Nachhaltigkeit, Juristisches, Netzneutralität, Netzpolitik, Netzsperren, Open Hearing
Am Parldigi Open Hearing zur FMG-Revision im Bundeshaus kristallisierten sich die Fronten in den zwei Hauptfragen der Netzregulierung heraus. Swisscom-CEO Urs Schaeppi, Sunrise-CEO Olaf Swantee, Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz und Simon Osterwalder vom Verband SUISSEDIGITAL diskutierten animiert über die mögliche Regulierung des Zugangs zur Breitband-Endkundschaft und über die Netzneutralität.
Das Parlament behandelt 2018 die Revision des Bundesgesetzes über das Fernmeldewesen (FMG). Der Bundesrat erwägt einen technologieneutralen Zugang zur Endkundschaft: Die Anbieter sind sich uneinig, ob dies den Wettbewerb fördert oder die Investitionsbereitschaft abwürgt. In Sachen Netzneutralität will der Entwurf nur eine Kundeninformationspflicht und keinerlei weitergehende Regelung. Parldigi erkannte die Brisanz der Revision und lud am 13. Dezember 2017 zum Open Hearing ein.
Der Einladung gefolgt sind Nationalratsmitglieder, Verbandsvertretende, Medienschaffende und Fachleute aus der Branche. Sie wurden mit dem Inputreferat des Rechtsexperten Prof. Dr. Simon Schlauri vom Anwaltsbüro Ronzani Schlauri in die Diskussion eingeführt. Seine Übersichtspräsentation über die rechtliche Ausgangslage und die geplante Revision steht als PDF hier zum Download bereit.
Auch das Video des Open Hearings ist nun online. Die Begrüssung und das Fazit durch den grünen Nationalrat und Parldigi-Mitglied Balthasar Glättli sind im Video bei 00:00 und 01:26:05, das Referat von Prof. Dr. Simon Schlauri ist bei 05:10 – 31:30 zu finden und die Diskussion mit Fragen aus dem Publikum bei 31:35 – 01:26:00.
Ausgangslage
Die sogenannte „Letzte Meile“, der Breitbandzugang zur Endkundschaft, ist bisher nur für normalen Telefon-Kupferdraht reguliert, nicht aber für Leitungen, die zum Teil oder ganz in Glasfaser ausgeführt sind. Im bisherigen FMG-Gesetzesartikel wird verlangt, dass die marktbeherrschende Anbieterin den anderen Anbieterinnen den Zugang in die Haushalte und Betriebe via Kupfer nichtdiskriminierend, transparent und zu kostenorientierten Preisen gewährleisten muss. In der Praxis wird dies mit den sogenannten Wholesale-Verträgen zwischen der Swisscom als marktbeherrschende Anbieterin und Sunrise, UPC, Salt, etc. privatrechtlich und kommerziell geregelt. Damit kaufen sich andere Anbieterinnen die Nutzungsrechte für Glasfaser- und Kupferkabel von Swisscom und sind somit als Internet Service Provider überhaupt konkurrenzfähig, zeitgleich aber als Kunden abhängig vom Infrastruktur-Angebot der Swisscom.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene FMG-Revision sieht eine etwas stärkere Regulierung ebendieser „Letzten Meile“ vor. Die „technologieneutrale Zugangsregulierung“ möchte gesetzlich festhalten, dass der Zugang zu den einzelnen Haushalten unabhängig von der sich stets entwickelnden Technologie, also insbesondere auch beim Einsatz von Glasfaser, und zu fairen Preisen bereitgestellt wird. Die neue Regulierung würde zudem erst dann greifen, wenn Marktversagen festgestellt würde. Also dann, wenn die kommerzielle Verhandlung über den Zugang nachweislich zu einem diskriminierenden oder preisverzerrenden Resultat führe.
Diskussion Zugangsregulierung
Am Open Hearing wurden die Vor- und Nachteile des bundesrätlichen Vorschlags debattiert. Eine zu frühe Regulierung setze die falschen Anreize und bremse die Investitionsbereitschaft für den Ausbau der Glasfasernetze. Andererseits lasse zu späte Regulierung des Zugangs zum Endkunden ineffiziente Monopole entstehen. Dies sei bei den über die „Letzte Meile“ erbrachten Diensten (wie TV, Internet oder Telefonie) besonders der Fall.
Urs Schaeppi von Swisscom betonte die Notwendigkeit der Rechtssicherheit in Sachen Investitionen und bezeichnete das bisherige FMG diesbezüglich als Erfolgsgeschichte. Die vorgesehene Teilrevision komme, gemäss Schhäppi, einem schädlichen Paradigmenwechsel gleich, weil auch neue Infrastruktur, und nicht nur Infrastruktur aus der ehemaligen Monopolzeit der Swisscom, reguliert würde. Weil sie somit die Investitionsanreize für Swisscom schmälere, gefährde sie den flächendeckenden Ausbau des Breitbandangebots. Der Wettbewerb spiele gut in der Schweiz. Momentan bezieht Swisscom als Einzige in der Telko-Branche diese Stellung zur technologieneutralen Zugangsregulierung. Der Ausbau auch in ländlichen Gebieten sei mit hohen Kosten verbunden, gesteht Simon Osterwalder, Geschäftsleiter des Telko-Verbands SUISSEDIGITAL ein. Doch seien auch die kleineren Anbieterinnen zu Investitionen bereit. Lokale Initiativen der kleinen Anbieterinnen hätten dazu beigetragen, dass die Schweiz bereits zu 80% mit Breitband abgedeckt sei. Auch Olaf Swantee der Sunrise erwähnt Investitionen in den Ausbau und nennt namentlich die Entwicklungen in der Mobilfunktechnologie (5G). Die Frage, ob die Schweiz mit der Revision eine flächendeckende Grundversorgung sicherstellen könnte, bleibt vorerst ungeklärt, bildet jedoch auch nicht Gegenstand der aktuellen Revision. Dies soll zu einem späteren Zeitpunkt angepackt werden.
Diskussion Netzneutralität
In der Frage Netzneutralität liessen sich die Teilnehmenden kaum auf eine Diskussion ein. Netzneutralität bedeutet, dass die Anbieterinnen den Datenverkehr sowohl technisch als auch kommerziell gleichbehandeln. Das Netz bleibt offen für alle unterschiedlichen Dienstleistungen und Datenübertragungen. Schlauri betonte dabei die Bedeutung der Netzneutralität für die Innovation im Internet. Erwähnt wurden die freiwilligen und bereits umgesetzten Lösungen: Der Branchenkodex, der ein Bekenntnis zum offenen Internet sei und die Schlichtungsstelle, bei der bisher erst zwei Beschwerden eingegangen seien, welche die Netzneutralität tangierten. Laut Sara Stalder der Stiftung für Konsumentenschutz seien diese Lösungen aber ungenügend und mit ihnen die Gefahr von Marktverzerrung und Diskriminierung nicht gebannt. Die Telkos hätten den Codex zudem bereits einmal weiter zulasten der Konsumenten angepasst, nachdem zuvor gestützt darauf Ansprüche geltend gemacht worden waren.
Über den Anlass wurde in der Netzwoche berichtet mit einem Artikel zum Open Hearing und einem zweiten Bericht über die Frage der Netzneutralität. Auch im Blick am Abend konnte ein Beitrag zur Netzneutralität gelesen werden. Die Debatte um die Netzneutralität wird vermehrt in die Öffentlichkeit getragen, was von Parldigi ausdrücklich begrüsst und gefördert wird, wie im Artikel in Inside-IT zu den neusten Entwicklung in den USA bezüglich Netzneutralität.
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